
Zeitenwende
26. September 2022-
Die Sprengungen der Gasleitungen Nordstream 1 und 2 in der Ostsee am 26.9.2022 markieren eine Zeitenwende. Sie sind der erste militärische Angriff auf deutsche Infrastruktur nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Wenn die kürzlich veröffentlichte Darstellung des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh richtig ist, und amerikanisch-norwegische Streitkräfte für die Sprengung verantwortlich sind, ist dies der Anfang vom Ende der NATO.
Deutschland konnte die Sprengung seiner für die Energieversorgung wichtigen Gasleitungen in der Ostsee nicht verhindern, und wird offenbar von den Angreifern als so schwach angesehen, daß ein solcher Angriff gewagt wurde. Die Sicherheitsarchitektur für Deutschland und damit auch für EU-Europa muß überdacht werden. Sie ist offensichtlich völlig unzureichend.
Seymour Hersh beschreibt in seiner Veröffentlichung sehr detailliert wie amerikanisch-norwegische Streitkräfte die Gasleitungen in der Ostsee gesprengt haben. Die Veröffentlichung erfolgte am 8.2.2023 im Internet (www.seymourhersh.substack.com).
Eine Überprüfung der Hersh-Veröffentlichung ist wichtig. Wenn Seymour Hersh Recht hat, dann hätten die USA den engen Verbündeten Deutschland militärisch angegriffen. Dies könnte man als eine Dummheit der US-Regierung verstehen. Nach Bundeskanzler Helmut Schmidt sollte man die Dummheit von Regierungen nicht unterschätzen.
Seymour Hersh beschreibt in seiner Veröffentlichung die Verwendung des militärischen Sprengstoffs C4 für die Sprengungen. C4 ist ein sogenannter Plastiksprengstoff der hauptsächlich aus Hexogen besteht. Bei der Detonation von Sprengstoff wird der verwendete Sprengstoff nie vollständig umgesetzt, es bleiben immer Sprengstoffreste zurück, wodurch der Sprengstoff identifiziert werden kann. Nach Mitteilung der Bundesmarine hat Deutschland am 7.10.2022 ein Schiff der Bundespolizei (Einsatzschiff „Potsdam“) und zwei Schiffe der Bundesmarine (Mehrzweckboot „Mittelgrund“, Minenjagdboot „Dillingen“) zu einer Ermittlungsmission von Eckernförde und Kiel aus zu den Sprengorten geschickt.
Es kamen Unterwasserdrohnen zum Einsatz. Der Einsatz der drei Schiffe erfolgte sofort nach Eingang des Amtshilfegesuchs der Bundespolizei an die Bundesmarine noch am gleichen Tag (Artikel 35GG). Zwischen den Sprengungen und dem Amtshilfegesuch liegen 11 Tage. Die Schweden waren schneller, sie haben die Sprengorte schon am 6.10.2022 untersucht.
Nach Aussage von Generalbundeanwalt Peter Frank (Welt am Sonntag vom 4.2.2023) wurden an den Sprengorten Wasser- und Bodenproben genommen sowie Reste der zerstörten Gasleitungen geborgen, um kriminaltechnische Untersuchungen durchzuführen. Untersuchungsergebnisse sind bislang nicht veröffentlicht worden.
Es könnte jetzt überprüft werden, ob wirklich C4 als Sprengstoff verwendet wurde wie von Seymour Hersh angegeben. In der genannten Wochenzeitung hatte der Generalbundesanwalt auch mitgeteilt, daß es bislang keine Belege dafür gibt, daß Russland für die Sprengungen der Gasleitungen verantwortlich ist.

